1934 bringt dann auch einen entscheidenen Einschnitt für den bis dahin als Familiengesellschaft tätigen Vereine: er wird Mitglied im Festausschuß Kölner Karneval und beteiligt sich am seit 1933 wieder durchgeführten Rosenmontagszug. Das Motto des Zuges war „Kölner Bilder".-
Das Geld war knapp und so reichte es für die Insulaner nur zu einer Fußgruppe. Jupp Bichler erzählt: „Da man sich noch keinen Festwagen leisten konnte, wurden große, selbstgefertigte Geschirre von der Gruppe im Rosenmontagszug getragen, so z.B. eine 2,50 m große Gießkanne mit der Aufschrift „Nippeser Brausebad", ein Waschbottich in gleicher Größe, bezeichnet mit „Nippeser Schwimmbad", ein Nachtgeschirr, etwa 2 m groß, trug die Aufschrift „Nippeser Sitzbad". Bichler schildert, wie das große Ereignis, erstmals am Zug teilnehmen zu können, kräftig „vorbereitet" wurde. Eben auch in Sachen Fröhlichkeit sollte alles bestens sein, - dafür waren aber Toiletten in um so weiterer Ferne und die närrischen Zugteilnehmer litten erhebliche Qualen. Der erstmaligen Teilnahme am Rosenmontagszug schloß sich am folgenden Tag die Teilnahme am Nippeser Dienstagszug an, mit einem von den Greesbergern geliehenen Wagen und „in Gemeinschaft mit der Nippeser Bürgerwehr" . Mit einem eigenen Büttenmarsch, für die Gesellschaft von Heinrich Paar komponiert, ging es in die Session 1934/35.
-1935- im „Prachtsaal" des Vereinswirtes Euler, mit dem vorübergehend die „Wechseljahre" beendet schienen, konnte mit ausgebuchter Sitzung ein weiterer Höhepunkt des Vereinslebens erreicht werden. War man im Jahr zuvor noch, wenn auch „nur" mit einer Fußgruppe, im Rosenmontagszug vertreten gewesen, so blieb man ihm in der Session 34/35 fern. „Aus Gründen, die nicht genannt sein wollen" , so unser Chronist, und schließt boshafte Vermutungen damit aus, daß der Kassierer durch diesen Verzicht jedoch einen guten Eindruck gemacht habe. Um vieles opulenter dann die Session 1935/36. Als habe man sich in der vorherigen Session zu Kräften bringen wollen, bringt die neue offensichtlich große Erfolge — sowohl im Zulauf der Mitglieder als auch in der Präsentation im Verein und nach draußen. Neue Mützen, neue Ehrenzeichen für verdiente Mitglieder, ein neues Gestühl für den Präsidenten eine neue Pritsche — kein Wunder, daß auch Thomas Liessem den Insulanern seine Reverenz erwies. Und entsprechend auch das Auftreten im Rosenmontagszug, der unter dem Motto: „Alt Kölle läv en Spröch und Zitate" mit dem Prinz Fritz Riese durch die Stadt zog, erstmals übrigens mit Großfiguren. Die Insulaner hatten eine 70 Mann umfassende Fußgruppe, 18 Mann im Musikzug und 8 Trommler — fürwahr eine prächtige Gruppe als Auftakt des Mottowagens „Scherve bringe Glöck" . Das Fazit, das unser Vereins-Chronist nach 10 Jahren 1936 ziehen kann, ist insgesamt geprägt von größter Zufriedenheit „Die Innenpolitik bei uns ist gelöst, unsere Außenpolitik basiert auf Frieden und Freundschaft mit allen Gesellschaften im Reiche des tollen Prinzen Karnevals. Darum, auf mit frischem Mut in die Zukunft." Dem Kleinen Rat gehörten für die Session 1936/1937 folgende Mitglieder an: Jupp Bichler als Präsident, als Schriftwart Esser, als Kassierer Lehmann, sodann die Herren Charles, Jansen, Lennighaus, Loyen, Meyer, Münnemann, Petry und Pöttgen, sowie als Senatspräsident Alex Flasche. Der rheinische Humor und die Veranstaltungen der Karnevalsvereine mußten zwangsläufig für das seit 1933 regierende NS-Regime zu einer Provokation werden. Die anarchischen Kräfte des Karnevals, seine Strukturen und Organisationen in all ihrer Selbständigkeit vertrugen sich nicht mit dem Allmachts- und Überwachungsanspruch des politischen Systems. Ab 1933 nahm die neue Regierung Einfluß auf das karnevalistische Geschehen. Was zuerst wie Hilfe in der Not der schwierigen Jahre der Wirtschaftskrise aussah, entpuppte sich schnell als Gleichschaltungsversuch. So wurden die Rosenmontagszüge 1934/35 vom Verkehrsamt organisiert, Handlanger der gleichgeschalteten, sprich demokratischer Mitwirkung und Kontrolle entzogenen Stadtverwaltung. Der Karneval sollte in die KdF (,‚Kraft durch Freude" )-Organisation der Nazis eingegliedert werden. Thomas Liessem an der Spitze des Festkomitees konnte dem entgegen wirken mit der Begründung des „Festausschuß Kölner Karneval" . Sehr schnell wuchs der Ausschuß mit dem vorrangigen Ziel der Organisation der Rosenmontagszüge auf 30 Mitglieder an, darunter, wie berichtet, auch die „Insulaner" . Dennoch war auch mit diesen organisatorischen Maßnahmen letztlich dem Einfluß des Regimes nicht zu widerstehen. Zu stark war der politische und ideologische Druck der neuen Machthaber: die offene Themengestaltung der Züge bot zahlreiche Möglichkeiten, die Botschaften des Regimes zu transportieren. 1936 war ein bemerkenswertes Jahr der Karnevalsentwicklung: mit zahlreichen Innovationen wurden bis heute genutzte Weichen gestellt. Erstmalig fand in einem festlichen Akt die Proklamation des Prinzen Karneval statt, zum ersten Mal trat das (weibliche) Funken-Mariechen auf, und, wie bereits erwähnt, Großfiguren tauchen im Rosenmontagszug auf. - -Allerdings ist das Jahr 1936 auch das Jahr eines schmerzlichen Verlustes: unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wird am 10. August d. J. Willi Ostermann auf dem Melatenfriedhof beigesetzt. Ihm verdankt der Kölner Karneval, der Kölner überhaupt, großartige, bis heute unvergessene und stets aktuelle Lieder. Lieder, die das Kölner Gemüt, das Kölner Herz in einzigartiger Weise ansprechen und zum Ausdruck bringen, wie Kölner ihre komplizierte Gefühlswelt zwischen Herzlichkeit, Rührseligkeit und Schnodrigkeit ausbalancieren können. Angesichts des bald danach für viele Kölner einsetzenden Elends der Vernichtung ihrer Habe und der Vertreibung aus der Stadt wird Ostermanns Text und Lied: „wenn ich su an ming Heimat denke- -und sin d'r Dom su för mir ston, - -mööch ich direkt op heim an schwenke, - -ich mööch zo Foß noh Kölle jon" -zur Ersatzhymne und zum kleinen Trost für den Verlust unersetzlicher Werte und den Untergang des alten Stadtbildes im Inferno des Krieges.