1948 bis 1949

Über Jahre war die Idee eines Tanzkorps diskutiert worden. Am 6. Februar 1948 wurde der Beschluß gefaßt, den Verein um eine Tanzgruppe zu erweitern. Es meldeten sich schließlich 19 Interessenten, darunter 4 Frauen, und die Ausbildung in Kostümen der Schalksnarren, von Bich1er entworfen, begann bei Ch. Tschöcke im Opernhaus. Die Dampferfahrt der Gesellschaft auf dem Rhein im Juni 1948 fällt in die Phase der Währungsumstellung von Reichsmark auf DM. Am 18. Juni verkündet Hermann Pünder, früherer Kölner Oberbürgermeister und jetzt Oberdirektor der Bizone, den Ablauf der Währungsreform.

Hamsterfahrten und Schwarzmarktgeschäfte finden urplötzlich ein Ende, die Geschäfte füllen sich wieder mit lang ersehnter Ware. Im August wird das 700jährige Bestehen des Doms gefeiert, das Hänneschen-Theater spielt wieder, wie schon seit Mai die Hohenzollern-Brücke steht nun seit Oktober die Deutzer (vormals Hindenburg-Brücke) für den Verkehr zur Verfügung. Karl Berbuers Lied „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien„ kommt am 11. 11. 1948 zur Aufführung.
 
(Text:)
Mein lieber Freund, mein lieber Freund,
die alten Zeiten sind vorbei, ob man da lacht, ob man da weint,
die Welt geht weiter, eins, zwei, drei.
Ein keines Häuflein Diplomaten
macht die große Politik,
sie schaffen Zonen, ändern Staaten.
Und was ist hier mit uns im Augenblick?
Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien
Heiditschimmela -tschimmela
Tschimmela-tschimmela-bumm!
Wir haben Mägdelein mit feurig wildem Wesien.
Heiditschimmela- usw.
Wir sind zwar keine Menschenfresser,
doch wir küssen umso besser.
Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien.
Heiditschimmela usw.
Und aus der 3. Strophe seien noch folgende Zeilen zitiert:
„Doch fremder Mann,
damit du's weißt
ein Trizonese hat Humor
er hat Kultur, er hat auch Geist,
darin macht keiner ihm was vor."
Auch mit diesem, bald zur „Ersatzhymne„ werdenden Lied, waren unverkennbar die Zeichen auf Normalisierung gestellt. Man sah sich aus dem Gröbsten heraus, die Wirtschaftswunderzeiten waren fern am Horizont zu erahnen.
1948/49
Gab es 1948 noch ein vor sichtiges Abtasten der karnevalistischen Möglichkeiten mit einem Umzug der Roten Funken, so legte man 1949 wieder einen „Zoch„ quer durch die Trümmer Kölns hin.
Und das Motto des Zuges hatte kaum passender sein können: „Meer sin widder do und dun wat mer künne„.
Ein großes politisches Thema seit Kriegsende war die Wiedergutmachungsleistung Deutschlands für die im Krieg angerichteten Zerstörungen. „Demontagen„ deutscher Betriebe und ihre Verbringung in die Siegerstaaten war ein Teil der Wiedergutmachungspolitik der Sieger. „Demontiert„ wurde in allen Besatzungszonen. wenn auch im Vordergrund der Abbau der Rüstungsindustrie stand, beschränkte sich die Liste der zu demontierenden Betriebe jedoch nicht nur auf sie.
Auch Kölner Betriebe waren betroffen, so zum Beispiel Klöckner-Humboldt-Deutz und diverse Maschinenbaufirmen, sowie, dem Vernehmen nach: 4711. Gegen die Demontage wird heftigst gestritten, hätten sie doch das Zerstörungswerk des Krieges nur noch verstärkt, noch mehr Arbeitsplätze beseitigt, Not und Elend als Kriegsfolge vergrößert.
Not und Elend zu verwalten geschah in Köln durch den mühsam aufgebauten, kaum funktionsfähigen Verwaltungsapparat. Zudem standen ihm kaum die Mittel zur Verfügung, die für den wiederaufbau in jedweder Weise gebraucht wurden.
Das Elend also war groß, die Klagen darüber ebenso, und die Verwaltung reichlich hilflos und bürokratisch.
„St. Bürokratius! Dä hann se vergesse zo demontiere„ als Thema der Gruppe der Insulaner im Zug war also sehr zeitgemäß und traf auf den Punkt die lebhaften und empörten Diskussionen in der öffentlichkeit.
Der Agnes-Saal, für verschiedene Veranstaltungen der Vergangenheit ein guter Behelf, hatte nun mit der Fremden-Sitzung am 15. Februar 1949 schon wieder ausgedient. Man wechselte in die Sartory-Säle, wo mit über 1.000 Besuchern Karneval gefeiert werden konnte.
 
 
Der Bunne-Ball fand auf der „Bismarck„ statt, im Wipperfürth wurden Kinderkostümfeste gefeiert und die Schalksnarren-Gruppe konnte mit ihrem ersten Auftritt viel Lob ernten. Zur Prunksitzung kam auch das Dreigestirn mit Theo Röhrig als Theo 1., mit Andreas Müller als Bauer und mit der (männlichen) Jungfrau Fred Reulen.
Die „erweiterte Kappenfahrt„, wie der Rosenmontagszug in banger Erwartung vorsichtig bezeichnet wurde, war trotz aller Improvisationen seitens der Gesellschaften ein riesiger Erfolg. Eine Schilderung von Thomas Liessem: „Ich sah nur die Menschen, die sich so unbändig freuten und denen noch die Tränen in den Augen standen. Sie winkten aus den ausgebrannten Fensterhöhlen der Ruinen und benutzten ihre Taschentücher immer wieder dazu, ihre feuchten Augen zu trocknen" (Chronik, 5. 436).
1949/50
Konnte man 1948 das 700 jährige Dom-Jubiläum feiern, so stand 1950 ein noch weitaus größeres Jubiläum auf dem Programm. Das im Jahre 50 n. Chr. zur Stadt erhobene oppidum ubiorum feierte seinen 1.900. Geburtstag. „Kölle wie et es un wor, zick 1900 Johr„ war daher auch das Motto des Rosenmontagszuges.
„1.900 Johr steit uns Kölle he am Rhing„ wurde und ist der Ohrwurm, der die Kölner auf ihren Geburtstag festlegt und bis heute daran hindert, anderen Städten nachzueifern, die trotz schwächerem historischen Stammbaum ihren 2.000 Geburtstag schon hinter sich gebracht haben.
In würdiger Feier und in Anwesenheit des Bundespräsidenten Theodor Heuß feierte die Stadt im reparierten Gürzenich ihren Geburtstag.
Ausstellungen und Volksfeste erinnern an große Vergangenheit und stiften Hoffnungen für die Zukunft.-
Mit vielen andern Gebäuden, die wieder hergestellt, neu eröffnet werden, steht jetzt auch die Flora als Festort wieder zur Verfügung.
Die Insulaner veranstalten dort ihre Silvesterfeier, der am 8. Januar 1952 die Herrensitzung, Kinder-Kostümfeste und schließlich die Prunksitzung sowie der Bunne-Ball folgen.
Selbstverständlich, daß hier auch mit Peter Franzen (als Peter 1.) der Prinz und Bauer (Josef Zorn) und Jungfrau (Willi Nasse) empfangen werden können.
„Mutter Colonia in Geburtswehen" ist das Gruppenmotto der Insulaner. 80 Personen umfaßt die Fußgruppe der Insulaner. Als Hebammen und Krankenpfleger verkleidet nahmen die Insulaner eine außergewöhnliche (kommunal-)politische Situation aufs Korn. Die Kommunalwahl des 17. Oktober 1948 hatte, zwar bei erheblichen Verlusten, die CDU als stärkste Partei (42,5%) vor der SPD (37,7) bestätigt. Aber bei der Oberbürgermeisterwahl entfiel auf die Kandidaten Ernst Schwering (CDU) und Robert Görlinger (SPD) die gleiche Anzahl von Stimmen. Im Losentscheid siegt Görlinger und wird zuerst Oberbürgermeister um im kommenden Jahr vom unterlegenen Konkurrenten wiederum für nur ein Jahr abgelöst zu werden.
Fürwahr ein etwas schwieriger Einstieg in die Demokratie, dringend der Unterstützung medizinischen Beistandes bedürftig — hier nun von den Insulanern im „Zoch" geleistet.
Im August konnte mit einem Sommerfest in der Flora die alte Session abgeschlossen, auf die neue Session eingestimmt werden.